Zum Tode von Hermann Zapf
Zum Tode von Hermann Zapf
Hermann Zapf
Kalligraf und Schriftgestalter
1918 – 2015
Im Alter von 96 Jahren ist am 4. Juni zuhause in Darmstadt Hermann Zapf verstorben, eine der großen Gestalterpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Er hat einflussreich gewirkt sowohl als Kalligraf, Schriftentwerfer und Buchgestalter, wie auch als Lehrer und Fachautor. Wie kaum ein anderer vereinte er künstlerische Begabung mit technischem Verständnis. Zu seinen bekanntesten Schriften gehören bis heute Optima, Palatino, Melior, Zapf Chancery und Zapfino sowie seine Zapf Dingbats (Essentials).
Geboren wurde er am 8. November 1918 in Nürnberg. Hier wollte er am Ohm-Polytechnikum Elektroingenieur werden, was ihm von den Nationalsozialisten verwehrt wurde, weil sein Vater als Gewerkschafter ins Visier geraten war. Stattdessen machte er eine Lehre als Retuscheur. Noch während dieser Lehrzeit begegnete er den Arbeiten von Johann Neudörffer, Rudolf Koch und Edward Johnston. Autodidaktisch eignete er sich nach ihren Vorlagen kalligrafische Fertigkeiten an. Die zeichnerische Begabung und sein technisches Verständnis waren schließlich der Grundstein für eine Karriere als Schriftgestalter.
Seine erste veröffentlichte Schrift war die Gilgengart-Fraktur. Sie erschien bei der Frankfurter Schriftgießerei D. Stempel, den Kontakt hatte der Schrifthistoriker Gustav Mori hergestellt. Ende 1939 lag der 36-Punkt-Normgrad fertig vor, geschnitten von dem kongenialen August Rosenberger. Im selben Jahr wurde Zapf zum Arbeitsdienst einberufen. Als gesundheitliche Probleme auftraten, durfte er den Spaten mit der Schreibfeder vertauschen, wurde schließlich nach Hause entlassen. Die Kriegsjahre verbrachte er ab 1942 als »jüngster Kartenzeichner der deutschen Armee« in Dijon und Bordeaux. Die Kunstfertigkeit, mit einem Spitzpinsel und ohne Vergrößerungsglas 1mm kleine Buchstaben schreiben zu können, bewahrte ihn davor, im Schützengraben als Held sein Leben zu opfern.
Satzschriften für die ganze Welt
Rund 50 Schriften mit annähernd 200 Schnitten hat Hermann Zapf im Laufe von siebzig Berufsjahren für unterschiedliche Einsatzbereiche (Buch, Zeitung, Akzidenz) und die jeweils modernste Technik gestaltet, vom Blei- über den Fotosatz bis zur Open-Type-Technik. Darunter finden sich Exoten wie das pan-nigerianische Alphabet, die Sequoyah-Silbenschrift der Cherokee Indianer und auch Spezialaufträge wie die gemeinsam mit Prof. Donald E. Knuth für die American Mathematical Society entwickelte AMS Euler, die ganz auf mathematische Belange ausgerichtet ist.
Schon seit Anfang der 1960er Jahre beschäftigte Zapf sich auch mit der Umsetzung von Typografie in Computerprogramme und war damit seiner Zeit weit voraus. An der Technischen Hochschule Darmstadt, wo Zapf von 1972 bis 1981 Typografie lehrte, lehnte man seine Pläne als »futuristische Phantasien« ab. Die Amerikaner standen Zapfs Gedanken aufgeschlossener gegenüber. Von 1977 bis 1987 übernahm er am Rochester Institute of Technology (RIT) eine eigens für ihn geschaffene Professur für Typografische Computer Programme. Technik dürfe keine Entschuldigung für schlechte Typografie sein, schrieb er einst. Die Algorithmen des mit URW entwickelten und 1994 patentierten hz-Programm zum besseren Zeilenausgleich finden sich heute bei Indesign wieder (wurden sie jemals ordnungsgemäß lizenziert …?).
Ab 2002 erfolgte bei Linotype eine intensive Überarbeitung zuerst der Optima, dann der Palatino, ermöglicht durch die neue Open-Type-Technik. Damit begann die Zusammenarbeit von Hermann Zapf und Akira Kobayashi. An den arabischen Versionen seiner Schriften arbeitete er intensiv mit Nadine Chahine zusammen.
Zahlreiche Ehrungen wurden Hermann Zapf zuteil. Unter anderem erhielt er 1974 den Gutenberg-Preis der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft Mainz, 2003 wurde er Honory Doctor of Fine Arts der University of Illinois, 2010 bekam er in Wiesbaden das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verliehen. In seinem 2007 in der Mergenthaler Edition bei Linotype erschienenen Buch »Alphabetgeschichten. Eine Chronik technischer Entwicklungen« hielt er Rückschau auf ein reiches Leben im Dienste von Schrift und Typografie. Seinen Nachlass gab er noch zu Lebzeiten in die Herzog August Bibliothek nach Wolfenbüttel.
Hermann Zapf hatte immer ein offenes Ohr für Fachkollegen und Studenten. Zuletzt lebte er zurückgezogen mit seiner Fachkollegin und Ehefrau Gudrun Zapf von Hesse in Darmstadt. Sie wurde dieses Jahr 97 Jahre und wird sein Erbe wach halten.
Die Beisetzung findet am Dienstag, den 16. Juni, um 13 Uhr in Darmstadt auf dem Alten Friedhof statt.
[ Silvia Werfel ]